Freiberufliche Tätigkeit eines Laborarztes bei vollständiger Delegation


Amtlicher Leitsatz

Ein Laborarzt ist nicht eigenverantwortlich i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG tätig, wenn er nach dem betrieblichen Arbeitsablauf solche Untersuchungsaufträge und deren Ergebnisse weder zur Kenntnis nimmt noch auf Plausibilität hin überprüft, die nach einem Vorscreening der fachlich vorgebildeten Mitarbeiter zu einem unauffälligen Befund führen.

Sachverhalt:

Der Kläger ist als Laborarzt (Zytologe) im gynäkologischen Bereich tätig. Im Streitjahr begutachtete und befundete er selbst nur solche Untersuchungsaufträge, bei denen seine fachlich vorgebildeten Mitarbeiter nach einem Vorscreening von einem positiven Befund ausgingen. Dies war bei ca.10 – 20 % der Untersuchungsaufträge der Fall. Der Kläger beschränkte sich somit auf die Bearbeitung der Zweifelsfälle, wohingegen seine Labormitarbeiter sämtliche anderen Aufträge, vom Eingang über das Vorscreening bis hin zur Versendung der Ergebnisse an die Auftraggeber, bearbeiteten. Dabei erfolgte durch den Kläger weder eine Begutachtung noch eine Plausibilitätsprüfung der unauffälligen Befunde.

Entscheidung:

Diesen Sachverhalt zugrunde gelegt, entschied der BFH, dass ein Laborarzt als Betriebsinhaber seine Einkünfte nicht aus freiberuflicher Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG sondern aus Gewerbebetrieb i.S. des § 15 Abs. 2 EStG erzielt, da es ihm an der für die freiberufliche Tätigkeit notwendigen Eigenverantwortlichkeit fehlt. Ein Beruf wird nach der Rechtsprechung des BFH eigenverantwortlich ausgeübt, wenn unter anderem die Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit in ausreichendem Maß gewährleistet ist. Für behandelnde Ärzte steht dabei grundsätzlich der persönliche und individuelle Dienst am Patienten im Vordergrund. Freilich sind diese Grundsätze -wie vom BFH zutreffend erkannt- nicht ohne weiteres auf Laborärzte übertragbar, da diese in besonderem Maße auf ihre technischen Einrichtungen und fachlich vorgebildeten Mitarbeiter angewiesen sind. Für die Beurteilung der Tätigkeit als eigenverantwortlich ist daher die Art und das Maß der Delegation an fachlich vorgebildete Labormitarbeiter entscheidend. Der BFH stellte dabei in seiner Entscheidung klar, dass die Bejahung der Eigenverantwortlichkeit und damit einhergehend die Einordnung der Tätigkeit als freier Beruf, ein Mindestmaß an geistiger Erfassung jedes einzelnen Untersuchungsauftrags erfordert. Folglich muss der Laborarzt zwar nicht jeden Auftrag in Persona und in Gänze bearbeiten, jedoch muss er an jedem Auftrag zumindest mitarbeiten. Diese Mitarbeit sieht der BFH als gegeben an, wenn wenigstens eine geistige Erfassung des Auftrags durch dessen Kenntnisnahme und eine abschließende Bewertung des Befundes durch den Laborarzt erfolgt. Wenn aber diese Mitarbeit bei 80-90 % der Aufträge wie vorliegend festgestellt nicht erfolgt, ist eine freiberufliche Tätigkeit i.S. des EStG nicht anzunehmen.

Praxistipp:

In dieser Entscheidung verdeutlicht der BFH seine gefestigten Grundsätze zur Abgrenzung einer gewerblichen von einer freiberuflichen Tätigkeit am Beispiel von Laborärzten. Der Betriebsinhaber sollte sich durch diese Rechtsprechung zwar nicht dazu veranlasst sehen, sämtliche Aufträge selbst zu bearbeiten. Jedoch sollte eine Volldelegation bestimmter Tätigkeitsbereiche und Abläufe im Hinblick auf die Vermeidung von unerwünschten, steuerrechtlichen Folgen mit Vorsicht genossen werden.

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