Für die räumliche Nähe zum Vertragsarztsitz gilt bei ausgelagerten Praxisräumen eine zeitliche Erreichbarkeitsgrenze von maximal 30 Minuten


Leitsätze:

Die räumliche Nähe von ausgelagerten Praxisräumen zum Vertragsarztsitz ist gewahrt, wenn der Vertragsarzt den Vertragsarztsitz innerhalb eines Zeitraums von maximal 30 Minuten aufsuchen kann.

Sachverhalt:

Die Beteiligten, eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft für Labormedizin-Pathologie-Zytologie (BAG) und eine Kassenärztliche Vereinigung (KV), streiten über die Berechtigung zur Erbringung zytologischer Laborleistungen in ausgelagerten Praxisräumen.

Entscheidung:

Die Revision der BAG führte zur Aufhebung des Urteils des LSG und zur Zurückverweisung an das LSG. Das Bundessozialgericht konnte nach den Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilen, ob die BAG berechtigt war, die ausgelagerte Praxisstätte für die Erbringung und Abrechnung von zytologischen Laborleistungen zu betreiben.

Das LSG war der Ansicht, es fehle an der notwendigen räumlichen Nähe der ausgelagerten Praxisräume zum Vertragsarztsitz. Dem folgte das BSG jedoch nicht.

Der Vertragsarztsitz werde durch die konkrete Praxisanschrift gekennzeichnet. Zur Arztpraxis könnten weitere Räumlichkeiten zählen, die sich an einem anderen Ort als unter der Praxisanschrift des Vertragsarztsitzes befänden. Als weitere Tätigkeitsorte würden Nebenbetriebsstätten als Zweigpraxen und ausgelagerte Praxisräume unterschieden.

Rechtsgrundlage der Klage auf Feststellung, die ausgelagerte Praxisstätte betreiben zu dürfen, sei § 24 Abs. 5 Ärzte-ZV. Danach dürfe ein Vertragsarzt spezielle Untersuchungs- und Behandlungsleistungen an weiteren Orten in räumlicher Nähe zum Vertragsarztsitz erbringen, wenn er Ort und Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit seiner KV unverzüglich anzeige. Eine inhaltsgleiche Definition enthalte §1a Nr. 20 Halbsatz 1 BMV-Ä.

Nach Ansicht des LSG sei das Merkmal der „räumlichen Nähe zum Vertragsarztsitz“ bei einer Entfernung von 9 km zwischen Vertragsarztsitz und ausgelagerten Praxisräumen, für deren Zurücklegung mit einem privaten Pkw auch in verkehrsstarken Zeiten deutlich unter 30 Minuten benötigt werden, nicht erfüllt.

Das Bundessozialgericht hält eine zeitliche Grenze von maximal 30 Minuten, innerhalb derer der Vertragsarzt am Vertragsarztsitz persönlich erreichbar sein muss, wenn er in ausgelagerten Praxisräumen vertragsärztlich tätig ist, generell für ausreichend, aber auch für erforderlich.

Revisionsrechtlich beanstandungsfrei sei das LSG davon ausgegangen, dass zytologische Laborleistungen spezielle Untersuchungs- und Behandlungsleistungen im Sinne von § 24 Abs. 5 Ärzte-ZV sein können, die in ausgelagerten Praxisräumen generell erbracht werden dürfen.

Das LSG wird aufzuklären und zu prüfen haben, ob die angezeigte Praxisstätte mit einer Fläche von ca. 1.000 qm für Laboruntersuchungen nebst Bürofläche nach den aufgezeigten Maßstäben die Funktion von ausgelagerten Praxisräumen erfüllt. Bislang sei nicht hinreichend aufgeklärt, ob und welche allgemeinen Behandlungs- und Untersuchungsleistungen am Standort des MVZ erbracht werden und in welchem Umfang sie als zytologische Laborleistungen in die neuen Räumlichkeiten ausgelagert werden sollen.

Praxistipp:

Diese Entscheidung klärt, dass die Frage der „räumlichen Nähe zum Vertragsarztsitz“ bei ausgelagerten Praxisräumen an der zeitlichen Erreichbarkeitsgrenze von maximal 30 Minuten zu bemessen ist. In dieser Zeit muss der Vertragsarzt am Vertragsarztsitz persönlich erreichbar sein muss, wenn er in ausgelagerten Praxisräumen vertragsärztlich tätig ist. Offengelassen hat das BSG, ob die zeitliche Grenze von 30 Minuten überschritten werden kann, wenn spezielle Untersuchungs- und Behandlungsleistungen ohne jeden persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt in den ausgelagerten Praxisräumen erfolgen. Folgende Hinweise des BSG sind noch zu beachten: Der Begriff der speziellen Untersuchungs- und Behandlungsleistungen ist nicht allein auf das von der jeweiligen Arztgruppe erbrachte gesamte Leistungsspektrum zu beziehen, sondern auf die vom einzelnen Arzt bzw. vom MVZ an der Hauptbetriebsstätte erbrachten Leistungen. Am Sitz der Hauptbetriebsstätte und in der ausgelagerten Praxisstätte dürfen nicht im Wesentlichen die gleichen Leistungen erbracht werden. Soweit dort das gesamte Behandlungs- und Leistungsspektrum in nahezu gleicher Qualität wie am Sitz der Hauptbetriebsstätte angeboten wird, handelt es sich jedenfalls nicht mehr um die Tätigkeit in auslagerten Praxisräumen, sondern ggf. um den Betrieb einer genehmigungspflichtigen Zweigpraxis. Die Tätigkeit am Vertragsarztsitz muss zeitlich insgesamt überwiegen. Die Leistungserbringung von zytologischen Leistungen ist an die Erfüllung und Genehmigung besonderer Anforderungen, u. a. an die räumliche Ausstattung, geknüpft. Diese Anforderungen müssen – ungeachtet der Anzeigepflicht nach § 24 Abs 5 Ärzte-ZV – auch in den ausgelagerten Praxisräumen erfüllt werden.

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