Honorarrückforderung bei fehlender Genehmigung von Assistenten und Analogabrechnung von GOP des EBM


Leitsätze:

Eine Delegation von Leistungen an ärztliches Personal kommt im vertragsärztlichen Bereich nur in Betracht, wenn es sich um angestellte Ärzte oder Assistenten handelt, deren Beschäftigung von den Zulassungsgremien genehmigt worden ist.

Die Durchführung einer Array-CGH-Analyse erfüllt nicht den Leistungsinhalt der GOP 11320 und 11321 EBM-Ä.

Zum Sachverhalt:

Die Beteiligten streiten um eine sachlich-rechnerische Richtigstellung des Honorars der Klägerin, einer Fachärztin für Humangenetik, für 14 Quartale (2/2007 bis 3/2010) und die Rückforderung in Höhe von ca. 2.5 Mio. EUR.

Die Klägerin habe die Pflicht zur peinlich genauen Leistungsabrechnung verletzt, weil sie Weiterbildungsassistentinnen ohne Genehmigung beschäftigt (anteilige Rückforderung 440.396,79 EUR) und die GOP 11320 und 11321 trotz nicht erfüllten Leistungsinhalts analog für die Durchführung von Array-CGH-Untersuchungen abgerechnet habe (anteilige Rückforderung 1.992.818,26 €). Außerdem habe sie in vier Fällen Untersuchungen nicht über die Versichertenkarte der zu untersuchenden Person, sondern über die Versichertenkarte einer anderen Person abgerechnet. Dieser Vorwurf erscheint angesichts der anteiligen Rückforderung von 11.024,64 EUR von eher untergeordneter Bedeutung.

Im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung wurde bereits festgestellt, dass die maßgebliche Quartalsarbeitszeit von 780 Stunden im Quartal 1/2008 mit 1.797,72 Stunden überschritten worden sei. Darüber hinaus betrage der Zeitumfang der abgerechneten Leistungen an 24 Tagen mehr als 12 Stunden. Es lasse sich feststellen, dass ein Großteil der Quartals- sowie Tagesarbeitszeit für die genetischen Untersuchungen nach den EBM 2008 Ziffern 11320 -11322 (Nachweis oder Ausschluss von krankheitsrelevanten oder Krankheit auslösenden genomischen Mutationen) anfalle. Im Laufe des Plausibilitätsverfahrens stellte sich dann heraus, dass die Beschäftigung von Weiterbildungsassistentinnen in den streitgegenständlichen Quartalen ohne Genehmigung erfolgte. Außerdem ließ die KV Bayerns die von der Klägerin vorgelegten Dokumentationen durch das K(B)V Kompetenzzentrum Labor in Nürnberg dahingehend überprüfen, ob die Befunde bzw. Indikationen die Abrechnung der GOP 11320, 11321 und 11322 in der erfolgten Art und Weise rechtfertigten und ob diese Leistungen vollständig erbracht wurden. Die GOP 11320 und 11321 wurden trotz nicht erfüllten Leistungsinhalts analog für die Durchführung von Array-CGH-Untersuchungen abgerechnet.

Parallel lief gegen die Klägerin ein Strafbefehlsverfahren.

Nach Zurückweisung des Widerspruchs durch die KV Bayerns und erfolgloser Klageerhebung beim Sozialgericht München (Urteil vom 21.09.2016 – S 21 KA 1179/13) wies das Bayerische Landessozialgericht die Berufung der Klägerin zurück. Die nachfolgend gegen die Nichtzulassung der Revision erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wies das Bundessozialgericht zurück (BSG, Beschluss vom 06.04.2022 – B 6 KA 16/21 B –, juris).

Die Entscheidung:

Die Berufung der klagenden Fachärztin für Humangenetik wurde vom Bayerischen LSG zurückgewiesen.

Die Klägerin habe gegen die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung verstoßen, weil sie Leistungen abgerechnet habe, die weder sie selbst noch ein mit Genehmigung tätiger Weiterbildungsassistent erbracht habe. Die Beratungen einschließlich der Anamnese seien aber durch die Weiterbildungsassistentinnen weitgehend allein und selbstständig durchgeführt worden. Die Klägerin habe selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem SG bestätigt, dass die Beratungsgespräche im Regelfall durch die Weiterbildungsassistentinnen allein erfolgt seien und nur im Ausnahmefall, etwa bei schwerwiegenden Befunden, eine gemeinsame Beratung stattgefunden habe. Auch die als Laborleistungen abgesetzten GOP seien nicht durch die Klägerin selbst erbracht worden. Die Weiterbildungsassistentinnen seien in alle vier Teile der Befunderhebung für die durchgeführten laboratoriumsmedizinischen Untersuchungen nach § 25 Abs. 1 Satz 2 BMV-Ä eingebunden gewesen. Der Vortrag der Klägerin, die Weiterbildungsassistentinnen hätten überwiegend nur technische, nicht aber ärztliche Durchführungs- und Untersuchungsleistungen erbracht, überzeuge nicht. Auch reiche es nicht aus, wenn lediglich die Letztverantwortung für das Leistungsgeschehen durch einen zugelassenen Leistungserbringer übernommen werde.

Die beklagte KV habe auch die GOP 11320 und 11321 in den Fällen der Array-CGH-Analyse zu Recht abgesetzt, da der obligate Leistungsinhalt nicht erfüllt sei. Es liege vielmehr eine unzulässige Analogabrechnung vor. Die Array-CGH-Analyse sei von der klassischen Hybridisierung menschlicher DNA mittels markierter Sonden, welche bei Inkrafttreten des EBMplus zum 1.4.2005 eine bekannte und gängige Untersuchungsmethode in der Humangenetik gewesen sei, zu unterscheiden. Im Gegensatz zur GOP 11320, bei der die markierte Sonde die genomische Mutation enthalte und der Nachweis oder der Ausschluss darüber geführt werde, ob durch Hybridisierung mit der Patienten-DNA die genomische Mutation nachgewiesen werde, enthielten bei der Array-CGH-Analyse weder die Patienten- bzw. die Referenz-DNA noch die DNA-Fragmente auf dem Array irgendeine genomische Mutation. Die DNA-Fragmente seien allein repräsentativ für das menschliche Genom und seien so auf dem Array angeordnet, dass sie das menschliche Erbgut möglichst gleichmäßig abdeckten. Eine Markierung im Sinne einer gesicherten genomischen Mutation finde gerade nicht statt. Erst seit 01.01.2011 werde die Array-CGH-Methode durch die neu aufgenommene GOP 11500 im EBM abgebildet. Auch die Leistungslegende der GOP 11321 sei nicht erfüllt. Die Leistung sei von der Klägerin nicht als selbstständige technische Untersuchungsmethode, sondern allein zur Vorbereitung der Array-CGH-Analyse erbracht worden.

Ein Verstoß gegen das Willkürverbot hat das LSG nicht feststellen können. Inwieweit die Leistungen von anderen Humangenetikern entsprechend abgerechnet würden, spiele für die Rechtmäßigkeit der bei der Klägerin vorgenommenen sachlich-rechnerischen Richtigstellung keine Rolle. Auch lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin als einzige Humangenetikerin von der sachlich-rechnerischen Richtigstellung betroffen sei, obwohl auch andere Humangenetiker diese Leistung entsprechend der Klägerin abrechnen würden. Der beklagten KV sei kein weiterer Fall bekannt, in dem eine entsprechende Abrechnung vorgenommen worden sein solle.

Praxistipp:

Praxistipp: Diese Entscheidung orientiert sich an der Rechtsprechung des BSG, wonach eine Delegation von Leistungen an ärztliches Personal im vertragsärztlichen Bereich nur in Betracht kommt, wenn es sich um angestellte Ärzte oder Assistenten handelt, deren Beschäftigung von den Zulassungsgremien genehmigt worden ist. Eine Genehmigung für die Vergangenheit (rückwirkende Genehmigung) kann nicht erteilt werden. Soweit humangenetische Leistungen als delegierbar angesehen werden können, habe der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt durch seine Anwesenheit sicherzustellen, dass er seiner Überwachungs- und Kontrollfunktion nachkommen kann und jederzeit bei Fragen und Problemen zur Verfügung steht. Fehlt es an diesen Voraussetzungen, werden die Leistungen nicht rechtmäßig, also nicht im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts erbracht und abgerechnet. Für diese Leistungen gezahlte Honorare können zurückgefordert werden. Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich. Eine Ergänzung oder Lückenfüllung durch analoge Anwendung der GOP ist unzulässig. Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewendet werden.

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